Unruhestifter
ziehen durch meinen Kopf,
stiften Unruhe,
weil sie wissen wollen,
was ich nicht weiß.
Abgrund schauen
Lass uns in den Abgrund schauen,
den Sog der Tiefe kosten,
während unsere Zellen nach Luft schnappen,
so sehr fürchten sie sich.
Vor der Tiefe, vor der Weite,
vor der Dichte, die sich darin versteckt.
Vor dem Unbekannten.
Die Bodenlosigkeit dessen,
worin ich bin.
Mit jedem Atemzug.
Worin alles ist.
Kennst du die Angst,
vor der Tiefe des Ozeans?
Zehn Kilometer Nichts nach unten?
So ist das.
Nur: Ich muss mich nicht im Marianengraben versenken.
Noch nicht einmal im Meer schwimmen.
Wenn doch, dann aus Freude an der Angst.
Wie wenn du an den Abgrund trittst,
um den Sog der Tiefe auszukosten,
während alle Zellen in dir nach Luft schnappen –
so sehr fürchten sie sich.
Aber ich bin jeden Tag.
Und meine Zellen schnappen nach Luft.
Existenzielle Agoraphobie, die.
Die Angst vor der Weite,
vor der Unendlichkeit des Raumes,
dem Lebensraum der homines sapientes.
Tritt häufig auf
in Folge der Realisation,
genau jetzt
genau hier
zu sein.
Bei den meisten homines sapientes nur selten vorkommend,
da die Grenzen des Ichs,
des Zimmers,
der Stadt,
des Planeten
über die sonstige Grenzenlosigkeit hinwegtrösten,
und somit schlimmeren Angstzuständen vorbeugen.[1]
(Anmerkung:
Existenzielle Agoraphobie
ist manchen auch
als existenzielle Höhenangst bekannt.
Da jedoch in der Grenzenlosigkeit
aufgrund fehlender Bezugspunkte
weder oben noch unten
noch große Plätze wie agorá bestehen,
sind im Prinzip beide Begriffe
falsch.)
Zur Linderung:
Fallen Sie weiter,
realisieren Sie, dass nichts passiert
und genießen Sie das Driften.
[1] Aufgabe: Observieren Sie den Mauerbaudrang einiger homines sapientes
und analysieren Sie diesen vor dem Hintergrund existenzieller Agoraphobie.
‘Nicht-materialisierte Potenziale’ oder ‘Hätte, hätte, Fahrradkette’ oder ‘Die Enttäuschung’
Zunächst hast du es nicht kapiert.
Schnell beiseite gewischt,
was du gedacht hattest,
gerne hättest,
wäre schön gewesen, wenn –
um weiterzumachen.
Jetzt wird Realität,
was eben nicht ist.
Verhilft deine Fantasie
dem unerfüllten Potenzial zur Form.
Und hört nicht auf,
in allen Farben und Facetten –
detailreich und global ! –
darzustellen,
was sein hätte können,
wenn nicht.
Ja, wenn nicht.
Die Phantasie hat schwere Geschütze
und deine Verteidigung ist schlecht.
Es ist, wie es ist,
sagst du dir.
Und hörst dich dabei kaum
vor lauter hätt i, tät i, war i.
Trotzdem ist es,
wie es ist.
So ist das eben.
Zum Glück
ist es auch so,
dass Schmerz mit der Zeit
immer kleiner wird.
Bis er weg ist.
Nudelsieb
Ihr,
die ihr mein Herz
zerlöchert
wie ein Nudelsieb zurückgelassen habt.
Mit jedem Rückzug
ein Loch gebohrt,
ein Stück mitgenommen.
Um eine Leere zu hinterlassen,
die nun meine Abende füllt.
Ihr wart so wichtig,
doch zu feige,
euch zu erklären.
Habt gelogen
und lebt weiter
mit voller Brust.
Während mein Rumpf
treudoof
ein Nudelsieb
in sich trägt.
Mein Herz wird nicht mehr voll.
Eines Tages werde ich wissen,
was ihr nicht gesagt habt.
Ganz besonders
Du willst so gern zusammen sein,
aber alle sind so komisch.
Verbunden in Komisch-heit,
bist du zu komisch,
meine Komisch-heit zu verstehen.
Heute lieb ich dich,
morgen hass ich dich,
und übermorgen bist du mir egal
(um in meinen Träumen wieder aufzutauchen)
Deine Individualität. Deine Eigenheit.
Deine Andersartigkeit. Deine Komisch-heit.
Du liebst sie, du hasst sie.
Sie trennt dich, lässt dich allein zurück.
Macht dich besonders. Und mich auch.
Wurzeln
Entfremdung trifft Sehnsucht,
in der Vergangenheit.
Vertrautheit mit Abstand,
wo einmal Zuhause war.
Aus der Fremde
glaubtest du Wurzeln zu finden.
Doch Wurzeln werden morsch
mit der Zeit.
Und ohne Wurzeln steht es sich eben nicht so komfortabel.
Du reist ab
und fühlst die Leere.
Wo Wurzeln waren,
ist es hohl.
Es war dir nicht aufgefallen
vor deiner Rückkehr.
Jetzt nagt sie,
die Leere.
Fordernd, denn sie will gefüllt werden.
Also füllst du.
Mit Erfahrungen,
Bekanntschaften,
Erlebnissen.
Füllst, füllst, füllst,
bis du eines Tages,
quelle surprise,
neue Wurzeln entdeckst.
Die dich tragen.
Bis zum nächsten Sturm.
Die Unzufriedenheit
Nicht das.
Mach das.
Warum?
Bringt doch alles nichts.
Du beginnst.
Die Gedanken –
Woanders.
Wo?
Beim nächsten.
Auch das.
Hilft.
Aber.
Nicht.
Wozu das alles?
Wer weiß das schon.
Fangen wir mit dem hier an.
Oder dem anderen.
Vielleicht.
Flach das Gefühl.
Was ist wichtig?
Weiß nicht.
Kann nicht dran bleiben.
Keine Zeit drüber nachzudenken.
Keine Lust.
Kein Gefühl.
Kein Fokus.
Aber irgendwas muss man ja tun.
Schade um die Stunden.
Verjammerte Energie.
Mit denen ich
gerade
auch sonst nichts anzufangen wüsste.
Auf Wiedersehen, Gedanke.
Hallo nächster, und gleich wieder weg.
Verlässlich seid ihr heute alle nicht.
Vielleicht …
Da drüben könnte –
Die Verdunkelung der Welt
Es verdunkelt sich.
Wird schwer und müde.
Ohne Bedeutung. Nichtssagend.
Die Stunden kriechen
über die Masse des Lebens.
Unterbrochen nur von Schlaf.
Retter aus dem Strudel des Seins.
Hilflos siehst du mich an,
wenn meine Seele Ausgang hat.
Doch du kannst fliehen.
Bist nur Besucher
meines gefangenen Ich.
Das zurückbleibt
im sinnlosen Raum.
Mit seiner Müdigkeit.
Und dann?
Warten.
Wenn die Schwere droht,
zu schwer zu werden,
schlägt das Wetter um.
Und das Licht kehrt zurück.
Abschied
Plötzlich naht ein Ende.
Und Erinnerungen
beginnen zu schmerzen.
Die Trennung trennt
noch vor dem Abschied.
Du bist mir jetzt schon näher
in Gedanken
als in Wirklichkeit.
Der Moment selbst,
irgendwie herbeigesehnt,
kommt unerwartet.
Dann bist du weg.
Die Spannung fällt ab,
der Grund tut sich auf,
Gefühl kehrt zurück,
wird zu Wasser.
Jetzt bist du
In meinem Kopf, meinem Herzen,
gut aufgehoben.
Wir ziehen weiter.